Dreigroschenblogger hat auf seinem Blog einen Schweizer P2P Anbieter Lend.ch vorgestellt. Hier der Artikel https://www.dreigroschenblogger.ch/2019/02/04/i-i-p2p-kredite-schweiz-lend/. Dieser neuer Schweizer Anbieter und die Tatsache, dass P2P Investitionen noch mehr in Mode gekommen sind, haben mich dazu gebracht nochmals das Thema aufzugreifen. Vor ca. einem Jahr habe ich schon über P2P geschrieben. Hier der Link dazu: https://kmfinanzen.com/2018/06/01/peer-to-peer-kredite-vorsicht/
Was mich bei den „beliebten Anbietern“ stört
Ich habe mir die 2 beliebten P2P Anbieter Bondora und Mintos angeschaut. Mich stören gleich mehrere Sachen. Erstens, dass die Firmensitze in Estland bzw. in Lettland sind. Ich als Schweizer, oder Westeuropäer bin immer ein wenig skeptisch, welche Gesetze und welche Regulierungen in solchen „exotischen“ Ländern herrschen. Ist vielleicht Korruption auch verbreitet? Das ist wie bei einer Online-Bestellung aus unvertrauten Ländern. Gibt es wirklich eine Rückkaufgarantie? Ist die Firma vertrauenswürdig? Gibt es einen vertrauensvollen Kundendienst? Wer kontrolliert die Institute? An wem kann ich mich wenden, wenn eine Zahlung nicht ankommt Usw.
Das Zweite was mich stört, ist die starke Fokussierung auf die Investoren-Seite. Auf beiden Seiten liest man nur Investor-Seitige Informationen. Wie ich einen Kredit beantragen kann, finde ich nicht. Gebühren, Rendite usw. alles betrifft nur Investoren. Sie schreiben zwar, du sollst deine Risiken kennen, sie liefern aber meiner Meinung nach zu wenig Informationen über die Kreditnehmer. Was sind das für Leute? Wie sieht ihre Einkommenssituation aus? Haben sie sonstige Schulden? Das ganze wird komplizierter, wenn ich darüber lese, dass die P2P-Anbieter gar nicht direkt mit den Kreditnehmern in Verbindung stehen, sondern die Kredite durch weitere Anbieter wie Tengo, Sebo, Monego, Mogo aus Mazedonien, Kazachstan, Armenien, Moldawien, Russland, Kenya, usw. vermittelt werden. Ich frage mich wer die Verantwortung bei einem Kreditausfall trägt.
Die Seiten weisen auf die Wichtigkeit der Diversifikation hin. Diversifikation ist gut. Das Problem ist, dass wenn die Wirtschaft schlecht läuft, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass alle gleichzeitig ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Das bringt mich zum nächsten Punkt: Die Seiten schreiben, du sollst die Risiken kennen. Dann sollte man genauer nachschauen, was das eigentlich für Kredite sind:
Auf der ersten Seite finde ich dutzende Russische Kredite mit einer Laufzeit von 30 Tagen und einer Zinssatz von 18.5%. Hm, naja… Was soll ich dazu schreiben. Ich finde es seltsam. Bin noch nicht darauf gekommen, warum jemand für 30 Tage einen Kredit zu 18.5% plus Gebühren aufnehmen muss. Ich bin Mal naiv und glaube, dass der Osteuropäer so arm ist, dass er bei keiner Bank und auch nicht bei Media Markt einen Kredit für seinen Fernseher bekommt. Will ich dann tatsächlich jemandem Geld geben, der seine Finanzen so sehr nicht im Griff hat, dass er keinen Kredit bekommt und nicht warten kann, bis er diese paar Hundert Franken zusammenspart? Und mit ein wenig Fantasie könnte ich mir andere Möglichkeiten vorstellen wo dieses Geld tatsächlich landen könnte: Kriminalität, Betrug, Geldwäsche oder Pyramidensystem. Wer kontrolliert ob die Kreditnehmer wirklich existieren? Ob sie wirklich das Geld dafür verwenden? Die P2P Seite aus Osteuropa? Oder der Drittanbieter? Werden die Seiten reguliert?
Will der Kreditnehmer einen Privatkredit? Für was? Steht leider nicht in der Beschreibung. Ok, ich soll also einen Kleinkredit von paar Hundert Franken geben, jemandem, den ich nicht kenne, der in ein wirtschaftlich schwaches Land wohnt, bei dem ich nicht weiss, wie viel er verdient, nicht weiss wofür er das Geld braucht. Das alles nur, weil Zinsen von über 10% versprochen werden und weil der P2P-Anbieter, der in solchen Ländern domiziliert ist, versichert, dass der Kredit in Ordnung sei, obwohl der Kredit über eine Drittpartei läuft. Mit gesundem Menschenverstand sollte man hier merken, dass die Sache faul ist.
Die verlockende an diesen Anbietern könnte sein, dass es viele Leute gibt, die viel mit diesen P2P Investitionen verdienen. Das kann auch gut sein. Wenn ich P2P Anbieter wäre, wäre ich natürlich daran interessiert mehr Leute anzulocken. Am Anfang und wenn alles so stimmt wie angegeben, können die Schuldner ihre Kredite zahlen. Das Problem kommt, wenn die Wirtschaft nicht mehr gut läuft. Wenn eine Krise eintritt und die Arbeitslosigkeit steigt. Die einkommensschwächsten wären die ersten, die Probleme hätten diese Kredite zurückzuzahlen. Da bringt auch Diversifikation wenig, wenn alle Leute gleichzeitig Pleite gehen. Wann dieser Zeitpunkt kommt, weiss natürlich niemand, doch weil diese Investments nicht nachhaltig sind, lohnt es sich nicht in sie zu investieren. Man darf auch nicht vergessen, dass wenn es irgendwo steht, dass jemand viel Geld mit P2P gemacht hat, gute Werbung für diese Anbieter ist.
So viel zu den „internationalen“ P2P-Anbietern
Neu gibt es auf dem Schweizer Markt ebenfalls einen P2P Anbieter : Lend.ch
Generell mag ich Schweizer Anbieter/ Institute. Im Gegensatz zu anderen Ländern, gibt es einen angemessenen Konsumentenschutz und Kreditschutz. Zinsen dürfen zum Beispiel nicht höher als 10% sein. Oder es darf kein Kredit vergeben werden, wenn es zur Überschuldung führt. Anbieter wie Lend.ch sind also auch in der Verantwortung, wenn etwas schief geht und werden zur Rechenschaft gezogen. Sie haben keinen Anreiz faule Kredite zu vergeben. Ausserdem gibt es die Finanzmarktaufsicht FINMA mit strengen Vorschriften. Die Überprüfung der Kreditwürdigkeit und Bonität, wie viel jemand verdient oder ob jemand schon Betreibungen hatte, oder ausstehende Kredite hat, ist besser reguliert, als in anderen Ländern. Es gibt Revisionen mit Stichprobenkontrollen und sollte was nicht stimmen, werden die Anbieter hart bestraft. Im schlimmsten Fall kann ich den Schweizer P2P Anbieter verklagen und auf einen fairen Prozess hoffen.
Über LEND.ch
„Der Markt für Konsumkredite in der Schweiz beträgt rund CHF 7 Milliarden mit einen jährlichen Volumen von etwa CHF 4 Milliarden. Den zulässigen Maximalzins hat der Bundesrat 2016 auf 10% herabgesetzt. Und Banken reizen dies typischerweise mit einem Kreditzins von 9.95% aus. Wir finden das nach wie vor unanständig hoch. Vor allem, weil Banken selber Geld bei 0.25% Zins aufnehmen können. Eine schöne Marge…“ – Homepage Lend.ch
Sie heben den Vorteil von P2P Krediten hervor, dass es keinen Drittpartei braucht und so die Gebühren gesenkt werden können. Lend.ch verlangt eine Gebühr von ca 1%.
Was auf der Homepage sofort auffällt, dass hier nicht mit Zinsen von >10% gelockt wird. Als Investor ist es nicht mehr so attraktiv, wie auf der internationaler Bühne. Liegt es an der stärkeren Regulierung oder an den allgemein tieferen Zinsen in der Schweiz? Vielleicht beides. Aber dass hier Zinsen für Investoren von 3.8%-7.6% offeriert werden, macht für mich einen seriösen Eindruck. Nicht so die anderen P2P Anbieter mit 18.5%, die meiner Meinung nach faul sind.
Es ist auch nicht nur die Investorenseite prominent dargestellt, sondern man kann tatsächlich selber auch einen Kredit beantragen. Bei den beliebten anderen P2P Anbieter habe ich diese Möglichkeit nicht gefunden.
Lend.ch versichert auf ihre Seite, dass sie die Kreditanträge genau prüfen und zeigen, dass nur ca. 15% von allen Kreditanträgen auch online gestellt werden. Da stellt sich für mich die Frage im Vergleich zu den anderen P2P Anbieter. Da die Schweizer Regulierung viel strenger ist, werden auch mehr Kredite abgelehnt. Wie viel solche oder schlechtere Kredite kommen bei anderen P2P Anbieter durch? s
Was mir gefällt, ist, dass alle Beteiligte aus der Schweiz sind. Die Seite ist auch sehr transparent. Ich kann vieles über die Person sehen. Ist sie verheiratet oder hat sie Kinder. Seit wann arbeitet sie? Wie viel die Person verdient, für was er den Kredit braucht und ob er Betreibungen oder Schulden hat. Sehr transparent, so stelle ich mir so eine Seite vor. So muss es sein.
Insgesamt finde ich die Schweizer P2P Seite sehr gut, transparent und vertrauenswürdig. Wenn jemand in P2P Kredite Investieren will, würde ich ihm die Seite empfehlen.
Ich bleibe trotzdem aus folgenden Gründen von P2P Investitionen fern:
Meistens sehe ich den Zweck Eigenheim. Warum sollte jemand zum Beispiel seinen Eigenheim für 5.00% finanzieren, wenn er einen Hypothek zu 1% aufnehmen kann?
- Möglichkeit 1: Die Person bekommt keine Hypothek. Warum soll ich dann jemandem Geld geben, der die Bedingungen der Bank nicht erfüllen kann?
- Möglichkeit 2: Die Person möchte sich die 200’000,- als Eigenkapital für ein Wohnheim besorgen. Das möchte ich als Investor auch nicht finanzieren. Jemand, der sich nicht mal 10% (mit Pensionskasse 20%) für eine Wohnung oder Haus sparen könnte, dem traue ich nicht zu, dass er mein Kredit zurückzahlen kann. Wenn er einkommensschwach ist, dann deshalb und wenn er einkommensstark ist, dann frage ich mich umso mehr, warum er einen teuren Kredit für Eigenmittel nötig hat.
- Möglichkeit 3: Die Person ist nicht klug. Sie will vielleicht den Kredit schnellst-möglich in gleich bleibenden Raten abbezahlen und denkt, dass sei der beste Weg. Ich habe ein Beispiel gesehen: Darlehensbetrag: 200’000,- Franken. Zins: 5.95%, monatliche Rate: 3’861.91. Für 5 Jahre macht das: 5*12*3’861.91= 231’714.60. Die Zinskosten betragen also 31’714.60. Alternativ könnte man einen 5-Jahres Festhypothek aufnehmen zu 1.5%. Die Zinskosten betragen dann 5*1.5%*200’000,- =15’000,- Franken. Wenn man die 200’000,- zurückzahlen möchte, muss die Person also nur 215’000,- zahlen, oder 3’583,- pro Monat (statt 3’861.91). Sie könnte also die Zinsen zahlen und den Rest auf die Seite legen und nach 5 Jahren die 200’000,- zurückzahlen. Will ich mich an der Unwissheit der Person bereichern? Auch wenn die Antwort ja ist, ist die Gefahr da, dass eher Möglichkeit 1 oder 2 wahr ist.
Wenn jemand einen Konsumkredit kauft, möchte ich es aus demselben Grund nicht finanzieren, wie bei Möglichkeit 2.
Zusammenfassend kann ich nur dazu raten, immer jedes Detail zu kennen, warum man wem sein Geld gibt. Hinterfrage die Infos und sei skeptisch. Warum kann ein Zinssatz 18.5% sein und was kann im schlimmsten Fall passieren? Wie sieht es mit deinen Rechten aus? Wenn du in P2P Kredite investieren möchtest, scheint mir Lend.ch eine vertrauenswürdige und transparente Seite zu sein. Die anderen Seiten würde ich nicht empfehlen, auch wenn einige damit viel Geld verdienen.
Sehe ich genau so. Ich kann nicht nachvollziehen, warum dennoch die P2P-Investitionen bei so vielen Bloggern beliebt sind, wenn auch zugegebenermassen meist nur als Beimischung mit geringen Summen.
Vielleicht eine Mode, so wie die fidget spinner bei Kindern vor kurzem. Sind auch schon wieder komplett verschwunden…