Das Wort “Frugalität” und “frugal” klingen albern und spiessig. Ich höre das Wort nicht gerne. Es klingt rau und unsanft. Die Bedeutung ist aber umso wichtiger. Aber was bedeutet genau “Frugalität” und warum ist es so wichtig?
Man verwechselt gerne die Bedeutung des Wortes “frugal” mit “knauserig”, spiessig”, “geizig”, “schäbig” oder “sehr sparsam”. Unter Frugalität stellt man sich Naturburschen vor, die geizige Pfennigfuchser sind und umständlich Regenwasser für den Abwasch und Toilette sammeln oder das 3-lagigen Toilettenpapier auseinander nehmen und nur Bohnen aus der Konserve essen um zu sparen. Gibt’s kein Regen, wird der Abwasch nicht gemacht. Und wenn es nicht regnet, wie spült man die Toilette? Oje, ich will da keine Antwort.
Frugalität bedeutet zwar auch Sparsam zu sein, aber nicht um jeden Preis und vor Allem nicht auf Kosten von Lebensqualität.
Nein, Frugalität bedeutet was anders.
Ich will gar nicht langweilen, woher das Wort kommt usw. Frugalität bedeutet so viel wie “Einfachheit” und “Bescheidenheit”.
Es geht um den Genuss, Nutzen und Lebensqualität. Ein Objekt soll gekauft werden um Nutzen daraus zu ziehen. Der Teil des Objekts, das wir nicht nutzen, ist rausgeschmissenes Geld. Eine Verschwendung.
Ganz wichtig dabei ist das Wort “genug”. Ein Verschwender würde 1 kg Brot kaufen und davon 0.3kg essen. Den Rest würde er wegschmeissen. Ein Geizhals würde für 50% ein 2 tägiges Brötchen kaufen. Er strebt an, möglichst günstig seinen Hunger zu stillen. Jemand der frugal ist, würde sich 0.3 kg Brot kaufen, das ihm am besten schmeckt. Er maximiert seinen Nutzen und strebt an möglichst nichts zu verschwenden.
Frugale Leute verzichten nicht auf den Genuss. Sie gönnen sich auch das teurere Brot, das sie am liebsten essen, aber sie kaufen nur so viel, was sie auch brauchen. Sie sparen nicht beim Geschmack, sondern bei der unnötigen Menge, die sowieso (leider) im Müll landen würde.
Die hohe Kunst ist, sich bewusst werden zu lassen, was für einem genug ist. Wenn man darüber nicht nachdenkt und sich einfach treiben lässt, entsteht immer wieder ein Verlangen nach mehr oder besser. Im Menschen ist die Angst verankert, nicht genug zu bekommen und man ist verleitet immer etwas Neues, etwas Besseres zu wollen.
Beispiel: Kleidung
Wer mich kennt, weiss, dass ich mich gerne schön kleide. Fürs Büro ziehe ich gerne schöne Hemden an etc. Es gibt Männer, denen ist es egal was sie tragen, T-shirt ist T-Shirt und Hemd ist Hemd. Bei mir nicht. Ich mag die Mode und fühle mich wohl wenn ich modische Kleider tragen kann. Mittlerweile habe ich aber so viel Kleidung, dass ich gemerkt habe, dass ich immer wieder die gleichen 10 Hemden anziehe. 10 Hemden sind mir also genug. Die restlichen sind überflüssig (bin also in der Hinsicht nicht frugal). Ich bemühe mich frugal zu sein und möchte nur dann neue Hemden kaufen, wenn ich 100%ig sicher bin, dass das neue Hemd unter den Top10 kommt. Wenn ich Hemden im Schrank habe, die ich nicht brauche, habe ich mein Geld verschwendet. Die restlichen Hemden muss ich aussortieren und weggeben. Dafür darf ein Hemd qualitativ besser und teurer sein, die Menge an Hemden die ich kaufe wird aber weniger.
Individuelle Präferenzen
Jeder Mensch ist anders. Die einen wollen Luxusferien, den anderen reicht es in Jugendherbergen zu übernachten. Die einen lieben es, auswärtig zu essen, die anderen haben überhaupt keinen Nutzen davon. Jemanden ist es wichtig, ihre Nasen in 4-Lagigen Taschentücher zu putzen. Andere begnügen sich mit Recycling-Taschentücher oder Servietten. Jeder hat andere Präferenzen und andere Nutzen. Frugal zu sein bedeutet das was man braucht zu geniessen und möglichst nichts zu verschwenden.
Wenn jemand eigentlich gerne gut isst und gerne ausgeht aber es nicht tut, nur damit er sparen kann, ist er nicht frugal, sondern geizig. Er verzichtet auf Lebensfreude fürs Geld. Und ich rede hier nicht von Leuten, die extrem niedriges, oder gar kein Einkommen haben.
Hier noch einige Dinge, die mir wichtig sind und ich bereit bin dafür mehr zu bezahlen:
Ei (muss Schweizer sein), Fleisch (muss Schweizer sein), Haargel, Bettwäsche, Kleidung, Coiffeur, Handy.
Mein iPhone ist auch ein gutes Beispiel. Ich kaufe mir gerne ein gutes Modell. Gross und mit viel Speicherplatz. Das ist teuer, aber mein iPhone ist etwas, was ich jeden Tag, mehrere Stunden brauche. Ich schaue darauf Videos, mache tolle Fotos und 4k Videos von meinen Kindern etc. Ich liebe mein iPhone. Der Nutzen aus meinem iPhone ist sehr hoch für mich. Aber, ich kaufe nicht jedes Jahr das neuste Modell. Ich kaufe alle 3-4 Jahre ein Neues, weil mir solange das aktuelle Modell “genug” ist.
Und hier einige Dinge, die mir überhaupt nicht wichtig sind: Da schaue ich, dass ich die günstigsten kaufe:
Fahrrad (Mein Sattel ist seit einem Jahr kaputt), Salat, Gemüse, Schere, Hammer, Frischhaltefolie, Taschentuch, Spülmittel, Geschirrtabs, Milch, Wasser, Energy Drink, Mikrowelle, Mixer.
Mein Fahrrad habe ich gebraucht gekauft. Der Sattel ist seit einem Jahr kaputt, aber das Fahrrad fährt. Es interessiert mich überhaupt nicht, was ich für einen Modell habe, solange das Fahrrad mich von A nach B bringt. Daher wäre es für mich eine Verschwendung ein teureres Modell zu kaufen.
Frugalismus und FIRE
Frugalismus wird immer wieder mit FIRE in Verbindung gebracht. Durch Sparsamkeit wird es angestrebt finanzielle Freiheit zu erreichen. Was ich aber sehe, ist, dass viele sich verkrampfen und sich Vieles missgönnen. Vor Allem in der Schweiz braucht man einen sehr langen Atem, wenn man finanziell frei werden möchte. Sich mehrere Jahre (oder ein ganzes Leben?) sich zu verkrampfen und auf Vieles zu verzichten, damit man eines Tages vielleicht die Freiheit geniessen kann ist vielleicht ein zu grosser Preis dafür.
Wie so manches im Leben, mag der goldene Mittelweg der richtige sein
Hallo KMF
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!
Viele Personen in der Schweiz haben in der heutigen Zeit “zu viel”. Uns geht es in diesem wunderbaren Land so gut! Und wenn gerade keine Pandemie wütet, können wir uns frei ohne Einschränkungen bewegen. Sollte man mehr schätzen, hier aufgewachsen zu sein.
Ich muss gestehen, in vielen Aspekten bin ich etwas frugal unterwegs:
– Kleidung: Warum sollte ich unterschiedliche Socken besitzen. Der Zeitaufwand um Sockenpaare zu suchen kann ich mir getrost sparen.
– Smartphone: WhatsApp, Telefon, Kamera und Internet. 95% der Zeit am Smartphone nutze ich nur 4 Apps… Dafür benötige ich nicht das neuste IPhone.
– Essen: Jeden Arbeitstag mit Kollegen in ein Restaurant oder Take-Away essen gehen? Nein! Lieber an die frische Luft in der Mittagspause und etwas selbst gekochtes essen.
– Auto: Mein Auto besitze ich um von A nach B zu kommen. Es muss zuverlässig sein und möglichst kostengünstig funktionieren. In der Anschaffung muss ich es mit maximal zwei Monatsgehälter bar bezahlen können. Wenn ich kein Auto besitzen würde, wäre meine Lebensqualität sehr eingeschränkt.
Ja ich gestehe, ich halte mein Leben simpel. Mir gefällt die Einfachheit!
Jeder wie er mag.
Liebe Grüsse
Schweizer Minimalist [+][-]
Hallo Schweizer Minimalist
Genau, jedem das seine. Es geht im Leben nicht um die Maximierung des Vermögens, sondern um die Maximierung der Lebensqualität. Manchmal wird man verleitet diese in der Materie zu suchen. Das Gegenteil, wenn man sich nie etwas gönnt, ist aber finde ich auch nicht gut. Da leidet die Lebensqualität. Man muss sich aber damit auseinandersetzen, was man will und was genug ist.
Schön, dass auch junge Leute so denken wie du.
Liebe Grüsse
KMF