Wirecard – mein Verlust und die Lehren daraus

Niemand hätte es für möglich gehalten, dass ein Betrugsfall in dieser Grösse in einem Land wie Deutschland möglich wäre.

Noch vor einigen Monaten meldeten sich die Stimmen aus China, dass Luckin Coffee (bin hier leider auch investiert) ihr Bilanz gefälscht hat. „Das war ja klar, in China wird sicher geschummelt“ hat man gesagt. Lange musste man auch nicht warten, bis der Betrugsfall Wirecard ans Licht kam.

Die Bilanzpräsentation wurde mehrfach verschoben und kurz vor dem Termin Mitte Juni kam die Beführchtung auf, dass die Bosse bei Wirecard was vertuschen. Die Ermittlungen liefen ja seit Jahren, aber diesmal konnte man ahnen, dass was wirklich nicht stimmte. Die Aktien brachen von 120 zuerst auf 40, am nächsten Tag auf 20EUR ein.

Ich war seit 2018 in Wirecard investiert und als der Kurs auf 40 fiel, dachte ich kurz über ein Nachkauf nach. Ich dachte aber, dass es heikel werden könnte und habe abgewartet. Am nächsten Tag fiel der Kurs auf 20 und ich dachte, dass das Chancen Risiko-Verhältnis eigentlich gut sei. Ich sah noch eine Chance, dass die Führung tatsächlich nicht weiss, wo die 2 Mia. Abgeblieben sind und habe bei 22 nachgekauft.

Am Tag 3 fiel der Kurs auf 15 und ich habe nochmals nachgekauft. Am Tag 4 ging der Kurs aufwärt, ca. 18%. Aber nur kurzzeitig, denn dann kam die Nachricht: Die 2 Mia. EUR sind nicht in Asien. Was die ganze Zeit seltsam war, dass die Führung sich nicht heftig gewehrt hat. Der CEO verhielt sich wie ein Verteidiger, der den Kopf senkt und still davonläuft, nachdem er den Gegner gefoult und der Schiedsrichter den Foul gepfiffen hat. Da war der Kurs noch bei ca. 12-14 EUR.

Nächsten Tag die Meldung: Wirecard beantragt Insolvenz. Ein Schock. Der Aktienkurs fiel auf 3-4 EUR. Alles ging schnell und ich habe mich schlecht gefühlt, weil ich naiv war. Klar, andere Grossinvestoren haben deutlich mehr verloren, aber es ärgert mich trotzdem, dass bei mir der Gier nach kurzfristigen Gewinnen grösser war, als die sachliche Vernunft die Qualität des Unternehmens zu überprüfen.

Warum war ich überhaupt in Wirecard investiert?

Ich hörte erstmals 2018 von Wirecard, als sie im DAX aufgenommen wurde. Ein Zahlungsabwickler mit Kunden wie Visa, Aldi, etc. Die Geschäftsidee: Schnellere Zahlungsabwicklung von 2 Parteien. Wirecard würde bei einer Zahlung eine Vorschusszahlung leisten und dafür eine kleine Gebühr erhalten. Das Unternehmen wuchs und wuchs, Analysten empfiehlen die Aktien mehrheitlich zum Kauf. Auch Mr. DAX, aka Dirk Müller prahlte damit, dass sie Wirecard bei 20-30EUR gekauft haben (beim Aktienkurs von 150).

Was war faul? Wie vermeide ich solche Fehler in der Zukunft?

Das Herdeverhalten ist sehr schön deutlich zu sehen. Analysten empfehlen etwas, andere machen es nach. Wenn 10 von 12 Analysten eine Aktie zum Kauf empfehlen, kann man nichts falsch machen. Doch! Wie überall, gilt auch hier: Bild dir deine eigene Meinung!

Fehler 2: Was mich stutzig macht, ist die Rolle der Wirtschaftsprüfer. Wer sich nicht in der Szene auskennt: Jede Aktiengesellschaft ist verpflichetet eine Bilanz und Erfolgsrechnung für die Investoren zur Verfügung zu stellen. Damit man sich auf die Zahlen verlassen kann, MÜSSEN Unternehmen UNABHÄNGIGE Revisoren einstellen (Ernst&Young, KPMG, Pwc, etc.). Im Fall Wirecard war E&Y für die Prüfung verantwortlich. Sie waren dafür verantwortlich die Bilanz zu prüfen und ihre Korrektheit zu bestätigen. Übrigens kommen solche Prüfungsgesellschaften für sehr viel Geld, um ihre Arbeit zu erledigen. Sie haben zwar Unregelmässigkeiten gemeldet, aber diese hatten keine Konsequenzen. Und was hat die Finanzmarktaufsicht Bafin gemacht? Jetzt kommts: – Die Aktien dürfen nicht Leerverkauft werden. Wirecard sei systemrelevant und man soll nicht auf fallende Kurse spekulieren! Wow.

Was auch eine Frechheit ist, dass der CEO seine Aktien beim Kurs von 30 und 40EUR verkaufte. Ein Erlös von 155 Mio. EUR. Die Kaution von 5 Mio. EUR zahlte er lächelnd, während die Privatinvestoren einen grossen Teil ihres Geldes verloren haben.

Mein Fehler war aber, dass ich das Unternehmen zu wenig kannte. Eine falsche Bilanz zu analysieren bringt nichts. Da habe ich nicht wissen können, dass die Bilanz falsch sei. Aber ich habe zu leicht die Geschäftsidee geglaubt und nichts hinterfragt. Ich meine ich habe nirgends ein Wirecard logo gesehen. Mastercard, Visa, Paypal etc kennt man als Zahlungsabwickler. Wenn Wirecard so gross ist, müsste man doch irgrendwo im Alltag mit dem Unternehmen in kontakt kommen. Wirecard wurde grösser als die Deutsche Bank und hat die Commerzbank vom DAX Index gestossen. Deutsche Bank kennt man, viele haben da Konti, etc. Aber ich habe noch keine Leute mit Wirecard Kreditkarten gesehen. Ich habe also zu leicht geglaubt, dass ein Unternehmen, das unsichtbar ist, so viel Geschäfte machen kann.

Mein zweiter Fehler war der 2. Nachkauf. Beim ersten Nachkauf bestand noch die Möglichkeit, dass das Unternehmen wirklich einfach unorganisiert ist (Ja, ich war naiv). Ich war der Überzeugung, dass die Investoren und Banken zu viel in Wirecard investiert haben um sie fallen zu lassen, also würden sie alles daran setzen Wirecard zu retten. Ausserdem haben Investoren die Aktien abgestossen, weil sie verständlicherweise mit -80% Verlusten erbost waren. Ich dachte, wenn die Lage sich beruihigt, werden Investoren in ein paar Monaten wieder zurückkehren. Ich war zu gierig und habe nur an die kurzfristigen Gewinne gedacht. Das ging in die Hose. Und zwar doppelt. Denn ich habe einen Order eingegeben, der zuerst nicht ausgeführt wurde. Also habe ich ihn nochmals eingegeben. Bis dahin wurden beide Order ausgeführt. Ich war also gierig und hatte auch noch Pech.

Mir wurde bewusst, dass man 4-5 Jahre erfolgreich investieren kann, aber nur ein solcher Fehler die gesamte Rendite des Portfolios extrem runterzieht. Bisher versuchte ich meine Rendite mit den Indizes zu vergleichen. Bisher schnitt ich nicht schlecht ab. Das kann ich aber jetzt nach dem Reinfall von Luckin Coffee und jetzt Wirecard wahrscheinlich für immer vergessen.

Die Lehren für die Zukunft

Bin froh, dass ich diese Erfahrungen jetzt, relativ am Anfang meiner Investitionskarriere gemacht habe, damit ich absolut betrachtet, wenig Schmerzensgeld zahlen musste. Ich achte darauf, dass Spekulationen (der Nachkauf war reine Spekulation) und neue Positionen von jungen Unternehmen (Luckin Coffee, Wirecard) höchstens je 5% und ingseamt nicht mehr wie 20% vom Portfolio investiere.

Die Verluste waren für mich eine Warnung. An der Börse kann es heftig zu und hergehen. Ich sollte weniger spekulieren und mehr investieren. Ich sollte 100%ig das Geschäft verstehen und nachvollziehen können, wie Geld erzielt wird.

Es scheint so, dass ich bei den Spekulationsaktien bisher immer Pech hatte. Ich habe Tesla vor einem Jahr bei 220 nicht gekauft. Dafür Luckin Coffee und Wirecard. Mit konservativen Aktien bin ich zwar langsamer aber sicherer vorangekommen.

6 Antworten auf „Wirecard – mein Verlust und die Lehren daraus“

  1. Hallo KMF,

    das tut mir natürlich leid für deinen Verlust. Mir ging es in der Vergangenheit ähnlich. Im Nachhinein ist man immer schlauer und alles war ganz logisch. Hauptsache man macht den gleichen Fehler nicht ein zweites Mal.

    Ich setze mittlerweile mehrheitlich auf ETFs. Ich nehme die durchschnittliche globale Marktrendite. Mit dieser Strategie werde ich zwar nicht reich aber arm sterben wird ich auch nicht. Dieser Nervenkitzel ist nichts für mich… Mein Ziel ist es mein Grundinvestment in wenige globale ETFs zu stecken und dazu gezielt Einzelaktien zu kaufen bei denen ich das Geschäftsmodell verstehe.

    Viel Erfolg weiterhin!

    Liebe Grüsse
    Schweizer Minimalist [+] [-]

    1. Hallo Schweizer Minimalist

      Mir waren die Risiken bewusst, und bin diese eingegangen. Mal geht es gut, mal nicht. Bin aber deiner Meinung. Wer diese Nervenkitzel nicht aushalten kann, der fährt mit ETFs am besten.

      Danke und dir auch viel Erfolg!

      Liebe Grüsse
      KMF

  2. Ich bin anderer Meinung als Minimalist.
    In der Schweiz hat man meist automatisch so viele breit gestreute & relativ sichere Anlagen (Pensionskasse, Säule 3a), dass man mit der eigenen Aktienanlage durchaus etwas spekulieren und auf Risiko gehen darf. In die staatlich regulierten Anlagen geht bei vielen der wesentlich grössere Anteil, wenn man es mal nachrechnet. Dazu etwas Liquidität, Gelder, die man also nicht langfristig anlegt. Der Rest kann dann auch mal in die Binsen gehen, beim nächsten Mal kommt vielleicht der grosse Gewinn.

    1. Lieber Peter

      Schön von dir zu hören. Genau. Bin gleicher Meinung, PK und 3.Säule sind bereits konservativ angelegt. Da kann man mit einem Teil etwas mehr Risiko fahren. Ich begrenze aber trotzdem die Risiken auf 20% des Portfoilios mit diesen exotischen Titeln. Der Rest ist in Blue Chips angelegt.

      Lg
      KMF

  3. “Die Wirecard-Aktie dürfte mit einem auf den ersten Blick gewaltigen Kurssprung in die neue Woche starten. Auf der Handelsplattform Tradegate wird sie 42 Prozent höher bei 1,99 Euro gehandelt. Der Vorstand setzt trotz des Insolvenzantrags auf die Fortführung des Geschäfts. ”

    Quelle: Börse.ard.de, Meldung heute vorbörslich

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