Ich schrieb diesen Beitrag Mitte Januar 2018, als die Aktienpreise von einem Rekordhoch zum anderen stiegen. Mittlerweile, anfangs Februar sind die Kurse eingebrochen. Der folgende Beitrag zeigt, dass dieser Einbruch nicht ganz unerwartet kam.
In den letzten Jahren, besonders aber in den letzten 2 Jahren sind die Aktienkurse rasant gestiegen. Der amerikanische S&P 500 Index (der die 500 grössten Aktien nach Marktkapitalisation der amerikanischen Börsen beinhaltet) hat im Januar 2018 die Rekordmarke von 2‘850 Punkten überschritten. Das ist mehr als 42% seit 2016. Auch der DAX (deutscher Aktienindex) hat ein allzeithoch im Januar 2018 erreicht. Die Wirtschaftsdaten und Wirtschaftsprognosen sind so gut wie schon lange nicht mehr. Arbeitslosigkeit fast auf Rekordtief, Inflation ist niedrig und die Gewinne der Unternehmen steigen.
Die einfache Erfolgsformel heisst buy low, sell high. Wenn momentan die Aktien auf ihren Höchstständen notieren, drängt sich die Frage auf, ob du wenigstens einen Teil deiner Aktien verkaufen sollst. Jeder kann eine Schätzung bezüglich der zukünftigen Entwicklung abgeben, Analysten müssen es sogar tun. Die Wahrheit ist, niemand weiss wie sich die Kurse entwickeln werden. Selbst wenn die Aktien momentan auf Höchstständen notieren, können sie noch irrational weiter in die Höhe steigen. Der Markt könnte aber auch Morgen einbrechen. Die Antwort auf die Frage, ob du verkaufen sollst oder nicht, lautet diplomatisch: Kommt drauf an.
Generell lässt sich sagen, dass die Unternehmensgewinne wachsen und die Wirtschaft gut läuft. Die Inflation ist sehr gering, das Wirtschaftswachstum zieht an. Das sind optimalste Bedingungen für steigende Aktienpreise. Es gibt eine Kennzahl, die einen Hinweis darauf gibt, ob aktuell eine Aktie günstig oder eher teuer ist. Das Kurs/Gewinn Verhältnis (kurz: KGV) ist eine der wichtigsten Kennzahlen für eine Aktienbewertung. Das KGV setzt den aktuellen Aktienkurs im Verhältnis zum Gewinn einer Aktie. Ein KGV von 10 deutet eher auf eine Unterbewertung hin, während ein KGV über 20 zeigt, dass die Aktie eher überbewertet ist. Es gibt mehrere Varianten des KGVs. Natürlich reicht diese Kennzahl nicht für eine Bewertung, aber sie kann einen ersten Hinweis darauf geben wie aktuell eine Aktie bewertet ist.
Aktuell sieht das KGV des S&P500 folgendermassen aus:
Beim DAX sieht es wie folgt aus:
Die beiden Grafiken zeigen, dass aktuell das KGV-Niveau bei den amerikanischen Aktien mit 24.64 eher hoch ist. Dort sind die Aktienkurse stärker gestiegen als die Unternehmensgewinne. Das KGV-Niveau der deutschen Aktien mit 14.99 ist weder hoch noch tief.
Ein weiterer Hinweis auf die zukünftige Entwicklung könnte der amerikanische „AAII Investor Sentiment Survey“ liefern. Dieser zeigt immer das Verhältnis der Investoren, die auf der Käufer bzw. auf der Verkäuferseite stehen. Sie werden wöchentlich gefragt, was sie glauben wo die Aktienkurse in 6 Monaten stehen werden. Bei dieser Umfrage sieht man am 18. Januar 2018, dass 54.1% der Anleger „bullish“, also auf steigende Kurse und nur 24.5% „bearish“ auf sinkende Kurse Positioniert sind. Die Börse hat viel mit Erwartungen und Übertreibungen zu tun. Darüber werde ich noch ausführlicher schreiben. Bei der Preisbildung stehen Käufer und Verkäufer sich gegenüber. Wenn der Aktienkurs steigt, heisst das, die Teilnehmer kaufen mehr und verkaufen weniger. Nun sind die Kurse schneller gestiegen als die Gewinne, weil die Erwartungen an das zukünftige Wachstum riesig sind. Bisher konnten die Gewinne auch den Erwartungen gerecht werden, aber wenn alle Positiv gestimmt, sorglos, fast schon sogar euphorisch sind, ist die Gefahr für eine Korrektur gross. Gleichzeitig wenn die Aussichten düster sind und alle bereits ihre Aktien verkauft haben und die Aktienkurse weit weg unter ihren Allzeithoch sind, ist der Spielraum für weitere Enttäuschungen klein, dafür für positive Überraschungen gross. Daher muss dieser AII Befragung umgekehrt interpretiert werden. Sind viele Investoren bereits in Aktien investiert, kann der Kurs gar nicht mehr so viel steigen, da es keine Käufer mehr gibt. Dafür steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einige Leute denken, dass sie einen Teil ihrer Gewinne langsam reagieren könnten.
Ein wichtiger Aspekt bei Kauf-/Verkaufsentscheidungen finde ich das Chancen Risikoverhältnis. In einem Markt, wo die Preise hoch sind, viele Investoren bereits viel gekauft haben, ist der erwartete zusätzliche Gewinn bei noch weiter steigenden Kursen (falls die Kurse tatsächlich steigen) kleiner als der erwartete Verlust bei sinkenden Kursen. Die Chancen momentan auf steigende Kurse sind eher begrenzt. Das Risiko auf fallende Kurse leider nicht zu klein.
Ob du nun verkaufen sollst kommt drauf an, was dein Anlageziel ist. Bist du ein Trader, der oft kauft und verkauft, könnten sich aktuell Verkäufe lohnen. Die Folgefrage ist dann, wohin mit dem Geld. Eine Möglichkeit wäre aufs Konto liegen lassen und bessere Kaufgelegenheiten abwarten.
Wenn du eher Nah deiner Pensionierung bist, oder auf dein investiertes Geld in nächster Zeit angewiesen bist, würde ein Teil der Aktiengewinne zu realisieren ebenfalls Sinn machen.
Wenn du plötzlich zu einer grossen Summe gekommen bist, würde ich dir davon abraten, momentan all dein Geld auf einmal in Aktien zu investieren. Nicht einmal in gut diversifizierte ETFs. Ich würde Monat für Monat aktuell höchstens 10% in Aktien investieren.
Für Leute die sowieso regelmässig investieren und sehr langfristig denken (Anlagehorizont<10Jahre), die aktuell nicht auf das Geld angewiesen sind und auch mit einem Crash (auch 40% Verlust möglich) ruhig schlafen können, würde ich empfehlen die Aktien zu behalten und weiter regelmässig zu investieren.
Wenn du regelmässig investierst, kannst du bezüglich Timing nichts falsch machen. Du kaufst automatisch in Hochs und in Tiefs. Wenn du aber dein Geld in nächster Zeit brauchst, könnten sich Teilverkäufe lohnen. Alternativ kannst du dich auch mit Optionen oder Hebelprodukte (Wetten auf fallende Kurse) absichern.
Nun, ob du kaufen oder verkaufen sollst, musst du selber für dich entscheiden. Ich möchte dir lediglich bei der Entscheidungsfindung helfen.